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4. Adventssonntag im Jahreskreis C

Pfungen 22. Dezember 2024

4. Adventssonntag im Jahreskreis C, Pfungen 22. Dezember 2024

Maria macht sich auf den Weg …und ging in das Haus des Zacharias und begrüsste Elisabeth (Lk 1, 39ff)

Liebe Mitchristen,

Elisabeth ist die Cousine, zu der sich Maria von Nazareth auf den Weg machte. Maria war verlobt, aber schwanger von jemand anderem als Josef, ihrem Mann, bevor sie zusammengekommen waren. Wie gesagt, Maria war unverheiratet – ein Umstand von grosser Tragweite, denn sowohl religiös als auch gesellschaftlich war dieser Umstand sehr schwierig und bedenklich. In einer jüdischen Gemeinde riskiert eine schwangere und unverheiratete Frau nicht nur Ablehnung, sondern sogar den Tod. Solche Frauen wurden damals geächtet.

Entgegen jedem gesunden Menschenverstand und im Bruch mit der Tradition, nahm Eliesabeth Maria in ihr Haus auf! Mehr noch, Elisabeth erkannte in Maria den immensen Reichtum, der einmal aus dieser Situation erstehen würde, die alle anderen für eine grosse Schande hielten. Die US-amerikanische Benediktinerin Joan Chrittister nannte diese Handlung «den Elisabeth-Faktor», die weibliche Freundschaft und definiert ihn als eine Annahme. Für sie ist eine Annahme die Fähigkeit, mit einem hörenden Herzen die Freundin zu empfangen, die der gesellschaftlichen Sprache der Zeit widerspricht (vgl Joan Chittister, Freundschaft verbindet, S.47). In der Tat! Die kleinen, aber feinen Details, die der Evangelist Lukas heute erzählt, haben es in sich. «In jenen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa» schreibt er. Von einer männlichen Begleitung hören wir nichts. Was in unseren Ohren harmlos klingen mag, war für die damaligen Gepflogenheiten skandalös. Als Frau aus eigenem Antrieb quer durchs Land und unbegleitet unterwegs zu sein – das war ein no go!

Als ob dies nicht genügen würde, erzählt Lukas weiter von der Ankunft Marias. «Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüsste Elisabeth». Also nicht dem Hausherrn gehört ihr Gruss, wie es in einer patriarchal verfassten Gesellschaft erwartet wurde, sondern sie begrüsste seine Frau, Elisabeth! Und beide Frauen beginnen im Haus des Priesters Zacharias, der durch seinen Unglauben verstummt war, prophetisch zu reden und die Revolution des Erbarmens Gottes zu preisen: «Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen!»

Lukas lädt uns ein, die Befreiungsgeschichte Gottes auf uns wirken zu lassen. Lukas bezeichnet diese Handlung Elisabeths mit dem Wort «Anastasia», welches gleich mit Auferstehung zu übersetzen ist. Das ist der Fall, wenn ein Mensch das Wort Gottes in sich wirken lässt und Raum gewährt, so werden sie Fleisch nehmen, keimen und Wurzeln schlagen. «Selig, die geglaubt hat, was der Herr ihr sagen liess».

In diese adventliche Vorbereitung auf die Geburt des Sohnes Jesus Christi sind auch wir von Lukas eingeladen worden, die Haltung von Elisabeth und Maria in uns aufzunehmen und anzunehmen. Und zwar die befreienden, gottgewirkten Impulse unserer eigenen Seele gegenüber. Sie als lächerlich oder peinlich abzutun, weil sie die gesellschaftliche Norm oder unserer eigenen Erwartung und Selbstbild widersprechen, wäre fatal. Das könnte den Geist Gottes und seine Wirkung im Keim ersticken. Möge Gott uns die Kraft geben, welche er diesen beiden mutigen Frauen verliehen hat, damit wir die Menschenwerdung Christi unter den Menschen erlebbar machen… Amen.

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