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29. Sonntag im Jahreskreis C,

29. Sonntag im Jahreskreis C, Pfungen 19. Oktober 2025

Mit Gott um Gott ringen (Lk 18, 1-8)

Liebe Mitchristen,

Eine Frau hatte eine schwere Geburt von Zwillingen und als man meinte, den Kampf zu gewinnen, starben die beiden Zwillinge plötzlich. Die Mutter erklärte, wie sie sich dabei fühlte, als sie beide Kinder in den zwei kleinen Särgen zum Grab tragen musste. Sie fühlte sich «wie eine Schmeissfliege, die Gott mit einer einzigen Handbewegung lässig zerquetscht hätte». Es gibt Leidenserfahrungen, die so furchtbar sind, dass man sie mit dem vertrauenswürdigen und barmherzigen Vater, welchen Jesus Gott nannte, kaum in Kontakt zu bringen vermag. Und wer konnte es denen, die in den Abgrund des Lebens schauen müssen, verübeln wenn der Glaube an einen Gott ins Schwanken kommt!

Wer kennt nicht die Erfahrung, wo man inständig für die göttliche Hilfe betet und dennoch bleibt die Erfüllung des Anliegens aus? Wie viele Menschen beten für den Frieden in der Ukraine und dennoch gehen die Kämpfe unvermindert weiter und die Lösung des Konfliktes scheint kaum in Aussicht? Trotz aller Bemühungen und Gebete um Frieden, scheinen die Fronten verhärtet zu sein und immer mehr Menschen verlieren in diesem sinnlosen Krieg ihr Leben. Im Gaza scheint der erste Schritt zu der vorläufigen Waffenruhe in Sicht, doch tobt der Krieg in anderen Teilen der Welt weiter. Auch hier bestürmen die Menschen Gott mit dem Gebet um den Frieden und doch greift die tägliche Zerstörung und Verlust des Menschenlebens weiter.  

So stellt sich nun die bange Frage, hilft unser Gebet nicht weiter oder beten wir umsonst und ist Gott taub für unsere Anliegen? Kein Wunder, empfinden viele diese Situation als eine Herausforderung und sie stellen sich die Frage nach der Gottesexistenz, besonders angesichts des unendlichen Leidens in unserer Welt. Jesus scheint mit dem Gleichnis nichts zu beschönigen. Zwar hört Gott unsere Bitte auch in der Not, doch nimmt er uns die Herausforderung in der Beziehung und dem Glauben mit ihm nicht weg. Tatsächlich kann die Beziehung mit ihm in solch einer Leidenssituation sich anfühlen wie ein willkürlicher, unempathischer, ungerechter Richter, der auf keinen Menschen Rücksicht nimmt; der das Leid der Mutter in unserer Geschichte kalt lässt. Ist unser Gott so hart, dass er nur dann reagiert und zum Recht verhilft, nur dort wo wir ihn wie in diesem Evangelium nerven, weil er seine Ruhe vor uns haben will?

Wenn die Beziehung und der Glaube an Gott sich so anfühlt, sollte man dann die Beziehung zu so einem Gott, der so unbeteiligt, so willkürlich, so lieblos und von uns zurückgezogen ist, nicht an den Nagel hängen, wie es heute viele tun? Nein, im Gegenteil meint Jesus, so wie dieser Richter ist Gott gerade nicht, aber das «werdet ihr herausfinden, wenn Ihr euch auf Gott einlasst» (Vgl. Eugen Drewermann, Das Lukas Evangelium, band 2, 401). Gerade wenn es euch schwer fällt, an Gott zu glauben, lasst nicht von ihm ab! Sucht seine Nähe nicht weniger, sondern mehr. Ruft ihm alle eure Enttäuschungen, eure Vorwürfe, eure ganzen Empörungen in die Ohren! Lasst ihn, wie Jakob, nicht los bis er euch segnet. Heute heisst es «Sollte Gott seine Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht unverzüglich zu ihrem Recht verhelfen, sondern zögern?

Manchmal haben wir auch ein eigenartiges Verständnis vom Gebet. Oft verstehen wir unsere Gebete, als müsste Gott nach unseren Vorstellungen handeln. Wir beten und geben ihm häufig Anweisungen darüber, was er zu tun hat und was er uns geben soll. Gott, in dem Fall, wird verstanden als eine Erfüllungshilfe unserer Wünsche und Vorstellungen! Dabei bedeutet Gebet, die Nähe Gottes zu suchen, das Leben mit all seinen Herausforderungen vor Gott zu tragen, sich in die Gegenwart Gottes hinstellen, Gott mit seiner Liebe und Nähe hineinzulassen. Gebet bedeutet doch immer auch loszulassen von den eigenen Plänen, Wünschen und Erwartungen, damit wir frei werden, für das, was Gott mit uns vorhat. Gebet ist ein leidenschaftliches Ringen um Gott, mit Gott selber.

Schliessen wir nun mit dem Gebet des Psalmisten «Ich vertraue auf deine Liebe, mein Herz soll jubeln über deine Rettung» (Ps 13,6) … Amen.