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15. Sonntag im Jahreskreis C,

Pfungen 13. Juli 2025

15. Sonntag im Jahreskreis C, Pfungen 13. Juli 2025

Als er ihn sah, hatte er Mitleid (Lk 10,33)

Liebe Mitchristen,

Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab und wird von Räubern überfallen. Eigentlich ist es kein Wunder, dass er überfallen wurde. Jerusalem liegt 700 Meter über dem Meeresspielgel und Jericho 200 Meter darunter. Von Jerusalem bis Jericho geht es ca. 27 Kilometer lang durch öde Geröllwüste und man steigt über 1000 Höhenmeter bergab. Durchzogen mit Höhlenverstecken, wo Räuber leichten Unterschlupf fanden. Sie gehörten zum völlig verarmten Teil der Bevölkerung und sicherten ihren Lebensunterhalt durch Überfälle.

Jesus ist ein Meistererzähler und macht mit diesen wenigen Information schon klar: Wer hier weitergeht und keine Hilfe findet, wird von niemandem gesehen werden. Wer aber anhält, setzt sich der Gefahr aus, auch Opfer von einem Überfall zu werden. Wer weiss denn, ob die Räuber sich versteckt haben und noch immer auf der Lauer liegen! Also die Nächstenliebe um die es hier geht, ist mehr als nur ein bisschen «Nett-Sein!». Priester und Leviten sind eigentlich durch ihre langen Kleider geschützt, denn man sieht sie von weit her. Dazu fragt sich, was sie mit den Klamotten von Priestern anfangen könnten? Damals hatte man noch Respekt vor Priester und Leviten. So war dieser einsame und gefährliche Weg von Jerusalem nach Jericho für die Priester und Leviten trotzdem beliebt gewesen.

Zurzeit Jesu gab es 3000 bis 4000 Priester und Leviten, welche in den umliegenden Gebieten von Jerusalem lebten und deshalb eben auch in Jericho. Jericho, die Palmenstadt, galt deswegen als Priester-Stadt und es war hier angenehm zu leben. Wenn sie Tempeldienst in Jerusalem hatten, zogen sie für 2 Wochen hinauf, danach kehrten sie zu ihrer Familie zurück. Nun versteht man, warum in der Erzählung von Jesus diese Klasse nicht helfen kann, denn sie machen sich unrein, wenn sie Tote oder Menschen, die mit Blut überströmt sind, auch nur berühren würden! Es handelt sich hier nicht um mangelnde Hilfsbereitschaft, sondern begründet sich in deren religiöser und sozialer Gegebenheit ihrer Zeit. Es geht hier nicht um Klerikalismus, sondern im Grunde genommen ruft Jesus alle auf, alle engen Grenzen der eigenen Weltwahrnehmung kritisch zu hinterfragen. Wenn es um Klerikalismus ging, hätte Jesus nicht den Samariter gewählt, sondern einen Bauern oder Handwerker.

Wie werden Samaritaner damals gesehen? Sie werden als Abgefallene, Häretiker, wahrgenommen, die ihren eigenen Tempel in Garizim aufgebaut haben, um ihre Ablehnung des Tempels von Jerusalem zu verdeutlichen. Die Beziehung zwischen ihnen und den Juden kann man heute mit der Beziehung zwischen Israeli und Palästinenser vergleichen. Die ist hasserfüllt. Einen solchen «Feind» macht Jesus nun zum Beispiel von Nächstenliebe und schildert sein liebevolles Handeln und seine Aufrichtigkeit gegenüber «Fremden»! Zu bedenken ist auch, dass das Reittier der Samaritaner auch für den Räuber attraktiv und verlockend wäre. Auch für ihn ist es genauso gefährlich, in der öden Landschaft anzuhalten, um jemandem zu helfen.

Auch fragt es sich, wie gut es heute aus medizinischer Sicht wäre, eine Wunde mit Wein zu desinfizieren und noch darauf Öl zu giessen und dann zu verbinden. Der Samaritaner war für das Opfer der Räuber quasi sein Krankenpfleger oder Rettungsdienst, denn er nahm ihn auf sein Pferd und brachte ihn zur Herberge, sorgte für ihn und gab dem Herbergsbesitzer Geld für seine weitere Behandlung. Was der Samaritaner alles für das Opfer des Überfalls getan hat, ist mit einem Wort deutlich gesagt, nämlich er tat es aus «Mitleid».  Er sah ihn und hatte Mitleid mit ihm. In dem griechischen Text steht eher das Wort «Erbarmen». Erbarmen haben bedeutet, sich etwas an die Nieren gehen zu lassen, sich tief berühren zu lassen, erschüttert sein.

Der Samaritaner ist ein Mensch, der die Not eines anderen nicht am Lack der eigenen Weltsicht ableiten lässt. So ist das, was Jesus in diesem Gleichnis erzählt hat, mehr als gelebte Nächstenliebe. Es ist eine primäre Aufforderung, alle Denkmuster und seien sie noch so heilig und kämen sie aus gesellschaftlicher, politischer oder sozialer Gepflogenheit, schlicht und einfach über den Haufen zu werfen, wenn sie dich hindern, Menschen menschlich zu begegnen. Handeln wir nun nach der Aufforderung Jesu… Amen.