Pfungen 1. Dezember 2024
Erster Adventsonntag im Jahreskreis C, Pfungen 1. Dezember 2024
Die vergessene Seite des Advents (Lk 21, 25ff)
Liebe Mitchristen,
Advent, das ist die Zeit der Vorfreude, der Vorbereitung und Erwartung. Das sind vier Kerzen und vier Sonntage zwischen dem ersten Advent und Heilig Abend und sie stimmen uns auf das grosse Fest ein. Denn Advent heisst Ankunft, Ankommen. Es ist die Zeit der Erwartung auf die Ankunft des Sohnes Gottes, Jesus Christus. Wenn wir die Texte des Evangeliums heute aber anschauen, dann kommt gar keine freudige Adventsstimmung auf. Da ist von dem anderen Advent die Rede und von einer höchst bedrohlichen Zukunft. Was da auf uns zukommt macht uns nicht fröhlich, sondern «es werden Zeichen sichtbar werden an Sonne, Mond und Sternen und auf der Erde werden die Völker bestürzt und ratlos sein über das Toben und Donnern des Meeres (Lk 21,25)». Das sind eher schreckliche Aussichten, denn « die Menschen werden vor Angst vergehen in der Erwartung der Dinge, die über die Erde kommen (Lk 2126)».
So fragt man sich manchmal, ob der ganze Adventsrummel von Weihnachtsmärkten und Glühweinständen nicht insgeheim versucht, eine tiefsitzende Sorge zu verdrängen. Viele Menschen spüren die unsicheren Zeiten welche vor uns liegen. Der Klimawandel hat etwas Unheimliches, und sie fragen sich, wie wird es sich auswirken? Die Migration, die vielen Menschen die flüchten, neue Lebensbedingungen suchen: werden sie unsere gewohnte Welt verändern? Zukunftsängste bewegen viele und manche versuchen sogar, politisches Kapital daraus zu schlagen, in dem sie Ängste schüren.
Gerade wenn schwere Zeiten kommen, schaut Jesus zuversichtlich in die Zukunft: «Wenn all das beginnt, dann richtet euch auf und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe (Lk 21, 28)». Seine Hoffnung richtet sich aber nicht auf eine allmähliche Beruhigung und eine stetige Verbesserung der Lage. Jesus lenkt eher den Blick auf den Anfang der Welt Gottes, die er selber herbeiführen wird, wenn er kommt «mit grosser Macht und Herrlichkeit (Lk 21.27)». Auch der Apostel Paulus hat mit dem Kommen Christi noch zu seinen Lebzeiten gerechnet. Er war überzeugt: das Ende der Welt steht zwar noch aus, aber «der Herr ist nahe (Phil 4,5)» und «die Zeit ist kurz (1 Kor 7,9)».
Die ersten Christen und Christinnen haben die Erwartung der baldigen Wiederkunft Jesu ziemlich schnell aufgegeben und sich auf eine unbestimmte Zeit eingestellt, in der die Menschen sich auf das Reich Gottes vorbereiten können. Für sie war es ständig «Advent», Zeit der Erwartung Jesu, aber nicht seiner Geburt in Bethlehem, sondern seines Kommens am Ende der Zeit. Bei der anderen, verdrängten, vergessenen Seite des Advents geht es also nicht um die «fröhliche Weihnachtszeit» um die grosse Hoffnung, die Christinnen und Christen für die Menschen und für die Welt haben: Wenn Jesus Christus wieder kommt, wird er das Reich Gottes vollenden. Himmel und Erde werden vergehen. Er wird alle Menschen richten und damit alles Böse vernichten und die Menschen und die ganze Welt erlösen. Dann wird die Welt endgültig sein, wie Gott es wollte.
Diese Erwartung ist in jeder Messfeier lebendig, wenn es heisst «…bis du kommst in Herrlichkeit». Sie ist aber im Leben der Gläubigen weitgehend erloschen. Aber ohne sie fehlt uns etwas Entscheidendes. Wie oft leben wir in den Tag hinein, ohne zu denken, es könnte der Letzte sein und ohne sich mit dem Tod auseinanderzusetzen. Wie oft tun wir, als könnte der Tod uns nichts anhaben, als hätten wir alle Zeit der Welt vor uns?
Der «andere» Advent erinnert uns an das Ende der Welt, an unser eigenes Ende. Er macht uns damit deutlich, wie kostbar jede Stunde, jeder Tag, jedes Jahr ist. Er ermahnt uns, nicht stumpf und oberflächlich zu sein, uns nicht in betäubenden Zerstreuungen zu flüchten, denn keine versäumte Stunde lässt sich zurückholen. Der andere Advent lehrt uns, das Leben als Chance zu begreifen: Unsere Lebenszeit wird das sein, was wir daraus machen. Der andere Advent ist ein Appel an uns solidarisch zu handeln, denn «was ihr für meinen geringsten meiner Brüder (und Schwestern) getan habt, das habt ihr mir getan (Mt 25,40)».
Zum Advent gehört auch, nach der Einladung Jesu wachsam zu sein und zu beten. Das Ende soll uns nicht überraschen (Lk 21,35). Daher ist es gut, täglich die Frage zu stellen: Könnte ich jetzt schon vor Gott hintreten? Könnte mein Leben dann vor ihm Bestand haben? …Amen. (Vgl. Peter Seul in Predigt und Katechet 1. Adventsonntag Dezember 2024)