Pfungen 11. Mai 2025
4. Ostersonntag im Jahreskreis C, Pfungen 11. Mai 2025
Meine Schafe hören auf meine Stimme (Jon 10,27)
Liebe Mitchristen,
Neuerlich besuchte ich eine ältere Frau, die ich in meinen jüngeren Jahren als Priesteramtskandidat kennengelernt habe, als ich ein Pastoraljahr in ihrer Pfarrei absolviert habe. Wir haben uns über 25 Jahre nicht gesehen. Sie ist älter und gebrechlich geworden, aber ihre Stimme ist speziell geblieben. Ihre Stimme ist immer besonders, warm, hell, klar und kindlich. Schon von weitem erkannte ich ihre Stimme. Wir haben über Gott und die Welt geredet, doch war es eine gute Stimme, die in mir weiterhallt bis zum nächsten Mal, wenn wir uns wieder hören werden. «Schön, deine Stimme zu hören»! Sicher hat das schon mal jemand zu ihnen gesagt, besonders wenn sie einander lange Zeit nicht gehört haben. Gelegentlich sagt mir dies jemand, oder ich teile meinem Gegenüber mit, dass es gut tat, seine Stimme zu hören.
Es geht hier zunächst um die Stimme, nicht unbedingt um die Worte. Auch ohne Worte höre ich an der Stimme, wie es jemandem geht, ob er/sie sich freut, meine Stimme zu hören. Man merkt einfach, ob die Stimme eine Überraschung zeigt, befremdet, gelangweilt oder voller Freude ist. Ist die Stimme in Sorge, ängstlich, bitter, depressiv, müde, schläfrig, munter oder gar krank. In der Stimme nimmt man wahr, ob jemand Stress hat, keine grosse Zeit für ein Gespräch hat, oder sich wirklich mit dem anderen lange austauschen will. Mit wenigen Ausnahmen kann man sogar das Alter an der Stimme erkennen. So schätzen wir jemanden alleine an der Stimme, auch wenn dies nicht immer stimmen wird. Ab und zu kommt es auch vor, dass man eine Frau oder einen Mann nicht an ihrer Stimme erkennen kann, wie gesagt das ist eher eine Ausnahme! In der Regel können wir Mann oder Frau von der Stimme gut unterscheiden.
Beim Hören einer bekannten Stimme, taucht das Gesicht dazu auf, die Gestik, die Körperhaltung. Oft tauchen unsere Erlebnisse mit der Stimme auf, seien es negative oder positive Erlebnisse, schöne oder schwere. Die Stimme verrät Charakteristisches über einen Menschen. Das alles weckt in mir Gefühle und Empfindungen, ohne viel zu sprechen. Mit der Stimme rückt mein Gegenüber sehr in meine Nähe.
Heute im Johannesevangelium geht es nicht um seine Worte, sondern um die Stimme Jesu. Jesus ist der gute Hirt, der seine Schafe führt und sie hören auf seine Stimme. Schafe erkennen Stimmen und instinktiv folgen sie nur einer vertrauten Stimme. Hingegen folgen Schafe keiner Stimme, die sie nicht kennen. Ähnlich geht es uns Menschen. Die Stimmen meiner Familie, meiner Freunde und nahen Bekannten kennen wir alle – und sie kennen meine. Die Stimme ist wie ein Fingerabdruck eines Menschen und bleibt lange Zeit nur dieser Person erhalten.
Das Evangelium erzählt vom guten Hirten und seiner Stimme. Was verrät dies über Jesus selber und was löst diese Stimme in dir aus? Einiges erfahren wir von der Bibel selbst. Paulus schreibt Titus, dass die Güte und Menschenliebe Gottes in Jesus sichtbar ist. Das heisst, die Stimme Jesu müsste in den Menschen Wärme, Wohlwollen und Einladendes ausgestrahlt haben. Etwa wenn er zu den Kindern redet, die leidgeplagten Menschen anspricht und wenn er Vergebung ausspricht und schenkt. Der Klang seiner Stimme und seine Worte vermitteln Wertschätzung und Zuwendung. Hingegen könnte es bei den Pharisäern und Schriftgelehrten Horror auslösen! Jesu Stimme schaut nicht auf Ansehen und politisches Amt. Er ist eindeutig klar und ehrlich. Sie klingt wohlwollend und tröstlich für Menschen, die unter Last waren.
Wenn wir als Christen zur Nachfolge berufen sind, so müssen wir einander Hirten und Wegbegleiter sein. Dies muss man einfach an unseren Stimmen hören und merken. Sie sollen Freundlichkeit, Vertrauen und Liebe ausstrahlen und hinweisen, dass wir alle Gotteskinder und Brüder und Schwestern in Christus sind. «Schön, deine Stimme zu hören» Ich hoffe sehr, dass Menschen, die sie hören, einfach guttut, ihre Stimme zu hören. Versuchen wir auch in dieser kommenden Woche auf die Stimme Jesus zu hören, selbst wenn viele andere Stimmen uns belagern… Amen.