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10. Woche im Jahreskreis B

Pfungen 9. Juni 2024 

Wer ist für mich Mutter und wer sind meine Brüder (Mk 3,33)

Liebe Mitchristen,
Ein junger Priester wurde in eine neue Gemeinde versetzt und bei einer seiner ersten Sitzungen mit Mitgliedern seiner neuen Pfarrei, wurden ihm Gottesdienstbesucher, die nicht von hier kamen, als «Fremde» bezeichnet. Dies löste eine heftige Diskussion über den Begriff aus, denn der neue Priester war der Meinung, dass jeder Getaufte, der an einem Gottesdienst teilnehmen will, ist allein auf Grund der gemeinsamen Taufe kein «Fremder» mehr, sondern als Bruder und Schwester zu betrachten. Jedes Mitglied der katholischen Kirche und darüber hinaus, soll sich daheim fühlen, denn wir sind miteinander die neue Familie in Christus und somit Brüder und Schwestern im Herrn.
Das heutige Evangelium geht auf diese oben genannte Diskussion ein und Jesus setzt einen neuen Massstab für alle seine Nachfolger. Zugegeben, die biologische Familie ist sehr wichtig für das Leben und der erste Lernort des Lebens. Die Familie ist auch die Keimzelle des Glaubens. Familienmitglieder tragen und prägen unsere Lebensentwicklung mit. Das erklärt, warum wir in der Familie die Liebe und Gemeinschaft üben. Manche christlichen Bräuche und Rituale lernen wir auch mit der Unterstützung der Familie. Dort werden die Sakramente gepflegt und gefeiert.
Jesus macht heute deutlich, dass es auch noch ein anderes Verwandtschaftsverhältnis, als die biologische Familie gibt. Schon mit der Pubertät und in dem Reifungsprozess nabeln wir uns langsam von der biologischen Familie ab, indem wir neue Freundschaften eingehen. Wir lösen uns langsam von der biologischen Familie, hin zu einer anderen Familie, die wir selber aussuchen, ohne sich natürlich völlig von der biologischen Familie zu trennen. Dazu zählen auch religiöse und geistige Bindungen, welche durchaus für einen wichtiger werden können, als die biologische Familie. Jesus erklärt heute, dass all jene zu seiner neuen Familie gehören, die den Willen seines Vaters tun, auf seine Worte hören und sich für das Reich Gottes öffnen. Wer seine leibliche Familie verlässt, der tut es allein um der grösseren Familie Gottes. Menschen, die sich einer Ordensgemeinschaft anschliessen, finden in dieser Gemeinschaft ihre neue Familie, wo sie jedoch einander wie Brüder und Schwestern behandeln.
Es kommt manchmal im Leben vor, dass sich jemand bewusst von seiner biologischen Familie trennt, oft aus Enttäuschungen oder Streitigkeit und Lieblosigkeit. Solche Entscheidungen sind oft sehr schmerzhaft und können einen ein Leben lang verfolgen. Heute sagt die Familie Jesu, dass er von Sinnen ist, da er offensichtlich mit ihnen gebrochen hat und eine neue Gemeinschaft gebildet hat. Er hat nicht auf die Zustimmung seiner Verwandten gewartet und so wollen sie ihn heute zur Vernunft bringen und ihn mit Gewalt in ihre Mitte zurückholen. Jesus soll zu dem gewohnten Muster zurückkehren und diese verrückte Richtung, welche er eingeschlagen hat, aufgeben.
Eine solche Entscheidung, die eigene Familie zu verlassen, kann durchaus zur Einsamkeit führen, besonders wenn die eigene Familie nicht mehr versteht, welchen Platz jetzt der Glaube für einen hat. Dies der eigenen Familie zu erklären, ist nicht immer mit Erfolg gekrönt und so bleibt man eben für die Familie «Verrückt und von Sinnen»! Am Ende ist mein eigener Weg, den Gott mir zutraut, wichtiger als die Zustimmung der Menschen. Man fragt sich heute, wie reagieren wir auf Menschen, die für ihren Lebensstil einen neuen Weg eingeschlagen haben? Wenn jemand entscheidet, sich vegetarisch zu ernähren, oder auf das Auto zu verzichten? Oft hören wir, dass man sich seine Verwandten nicht aussuchen kann. Jesus macht heute jedoch deutlich, dass man sich seine neue Familie aussuchen kann, wenn sie den Willen des himmlischen Vaters tut! Möge Jesus uns alle an seinem Tisch versammeln, wo wir uns als seine Brüder und Schwestern im Herrn fühlen können und danach handeln… Amen.